TV-Review: Tatort, „Anne und der Tod“

Gezeigt am Sonntag, 19.05.2019, ab 20:15 in Das Erste

Soweit ich mich erinnere, ist es bisher niemals vorgekommen, dass ich mir einen „Tatort“ zwei Tage später noch ein zweites Mal komplett angeschaut habe. Diesmal musste es sein. Ich war von dieser Episode dermaßen begeistert, dass ich sicher gehen wollte, ob ich wirklich alles verstanden habe.

Da hat einfach alles gestimmt bis ins letzte Detail:
Die Darsteller, das Drehbuch, die Regie, die Kamera, der Schnitt, die Kostüme.

(Kleine Spoilerwarnung: Wer die Episode noch nicht gesehen hat und nicht vorab wissen will, was passiert, sollte jetzt vor dem Weiterlesen dem obigen Link folgen.)

 

 

 

Gepackt hat mich die Handlung gleich mit der ersten Szene: Eine Frau um die 40 sitzt am Tisch und ruft ihren Arbeitgeber an, um sich wegen einer Darminfektion krank zu melden. Gleich darauf führt sie ein weiteres Telefonat. Sie erklärt ihrem Sohn, sie könne nicht nach Haus kommen, weil sie eine Doppelschicht ableisten müsse. Somit ist von Anfang an klar: Die Frau lügt. Erst in der nächsten Eistellung sehen wir, wo sie sich befindet, nämlich bei der Polizei. Sie arbeitet als Krankenpflegerin für einen privaten Pflegedienst und wird wegen des Todes zweier bettlägeriger Patienten vernommen, die von ihr betreut worden sind. In beiden Fällen handelt es sich um Männer im Seniorenalter.

Was mich besonders fasziniert hat, ist der ungewöhnliche Umgang mit der zeitlichen Abfolge. Die Szenen sind nicht chronologisch angeordnet, sondern thematisch. So lässt das Drehbuch von Wolfgang Stauch einen Dialog schon einmal mitten im Satz abbrechen, um in einer ganz anderen Szene fortzufahren. Das ist zunächst überraschend und scheinbar konfus. Dennoch wirst du als aufmerksamer Zuschauer nicht abgehängt. Denn das Drehbuch liefert genug Hinweise, wo eine Szene im zeitlichen Ablauf einzuordnen ist. Es hat mir Spaß gemacht, diesem roten Faden zu folgen.

Darüber hinaus profitiert diese Tatort-Episode von einer Besetzung, die man nur als Punktlandung bezeichnen kann. Die Casting-Verantwortliche Danielle Koch konnte sogar Hans-Peter Hallwachs für eine Nebenrolle gewinnen.

Sämtliche Charaktere sind überzeugend und lebensecht rübergebracht – allen voran natürlich die Hauptverdächtige. Die Schauspielerin ist mir bereits vor Jahren in einem Film namens „Shoppen“ positiv aufgefallen, den ich noch in meinem alten Blog gefeiert habe. Ich glaube, ich habe damals herausgearbeitet, dass es sich bei den Figuren durch die Bank um Prototypen handelt.

So verkörpert Katharina Marie Schubert auch hier erneut eine intelligente und leicht neurotische Frau in mittleren Jahren – und das leistet sie perfekt! Und als wäre diese schauspielerische Leistung nicht genug, beweist sie auch in anderer Hinsicht außergewöhnlichen Mut! Respekt!

Fazit: In letzter Zeit scheint die Marke „Tatort“ zunehmend die ausgetreten Pfade verlassen und sich den Mut zum Experiment leisten zu wollen. Dies finde ich grundsätzlich begrüßenswert, auch wenn es nicht immer funktioniert. Dass sich diese Experimentierfreude auszahlt – der Tatort „Anne und der Tod“ ist das beste Beispiel!
Nahezu 9 Millionen Zuschaer haben sich dies intelligent konstruierte Verwirrspiel angeschaut, das den Zuschauer von Anfang an zu fesseln weiß.
Ich wünsche mir mehr davon.

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